28.10.2004 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Beim Anpfiff zählt nur noch Arminia

Daniel Ullrich verpasst im Kreise der »wahren Fans« kein einziges Heimspiel seines Vereins

Von Björn Schüßler
Kreis Herford (HK). »Zuhause hat Arminia noch nicht gewonnen«, geistert die Sorge durch den Fanblock. Auch das Duell mit Berlin dümpelt 39 Minuten erfolglos vor sich hin. Dann ein Pass, ein Schuss, Tor: 40 000 Arme recken gen Himmel. Mittendrin jubelt Daniel Ullrich. Der Uffelner klatscht seinen Bruder Mario ab, grölt. Seine Augen leuchten. Das Tor des Tages macht den Fan auf der Osttribüne froh.

Für Daniel Ullrich geht nichts über das Live-Erlebnis im Stadion. Wenn die blau-weiß gekleideten Fans »Allez, Allez, Deutscher Sport Club Allez« skandieren, ist das was Besonderes. Etwas, das Daniel beim gestrigen Auswärtskick in Leverkusen nur vor dem Fernseher erleben konnte, weil der 21-Jährige in seiner Ausbildung zum Bankkaufmann sehr früh arbeiten muss. Ganz anders sein Gefühl beim ersten Heimsieg der Saison am Samstag: Mit einer sehenswerten Einzelleistung erzielt der Südafrikaner Delron Buckley das Tor des Tages. Nach 93 Spielminuten feiert Daniel mit einem kurzen »Jawoll!«. Dass Minuten vor dem Schlusspfiff der Ball auf der Linie gerettet wurde, dass Gegner Hertha BSC Berlin die gefährlicheren Torchancen hatte - bei Abpfiff vergessen. Daniel ist nach dem Spiel zufrieden, glücklich und stimmlich angeschlagen.
»Ich bin Fan, seit ich denken kann«, sagt Daniel. Zu Regionalligazeiten wollte er sogar einen Fanclub gründen. Mitglied beim DSC Arminia Bielefeld von 1905 ist der Uffelner seit 15 Jahren. Mit einer Dauerkarte steht er bei jedem Heimspiel seines Vereins im Fanblock 5 auf der Osttribüne. »Da wo die wahren Fans stehen, die nicht hinters Tor auf die umgebaute Südtribüne gewandert sind«, sagt der 21-Jährige.
Auch andere Familienmitglieder sind besessen vom DSC. Onkel Jörg Bigalk und Bruder Mario sind mit auf der »Alm«, wie die langjährigen Fans ihr Stadion noch immer liebevoll nennen. »Auch mein 70-jähriger Opa steht oft mit uns im Block.«
Selbst in der Fremde unterstützen die Fans ihr Team. In Kaiserslautern, Hannover oder Nürnberg sind sie dabei, wenn es die Zeit zulässt. »Wir waren in Hamburg beim geilsten Spiel des Jahres«, sagt Daniel und freut sich noch immer über den Sieg in der Vorwoche.
»Zu Auswärtspartien fahren wir mit dem Auto. Dann bringt der eine Kartoffelsalat, der andere Schnitzel mit, wir essen zusammen und freuen uns auf das Spiel«, sagt Daniel. Nach den zwei Siegen in Folge muss der DSC heute Abend in Leverkusen auf seinen treuen Fan verzichten. Dafür gehört Daniel bei Heimspielen zum harten Kern. Der echte Fan steht schon Stunden vor Spielbeginn im Stadion. Dann sind mehr Ordner in neongelben Leibchen als Fans auf den Rängen. Denn ein Spiel mit Arminia ist eigentlich ein Tag mit Arminia. »Ich dusche zwar nicht mit Arminia-Lotion, aber mein Zimmer ist mit Postern gespickt, wir haben jede Menge Trikots und Fanartikel daheim«, so Ullrich.
Am und im Stadion begegnen sich die Fangruppen in Vorfreude auf ihre Stars. Es gibt keine Berührungsängste. Doch in Wallung geraten die DSC-Anhänger erst beim Warmmachen der Spieler: »Matze«, »Dette«, »Rübe« rufen die Fans auf den Platz, und die Spieler Mathias Hain, Detlev Dammeier und Rüdiger Kauf grüßen die Fangemeinde. Währenddessen fachsimpelt Daniel mit seinen Kollegen über Fußball, Trainer Uwe Rapolders Aufstellung und gemeinsame Erlebnisse.
Mit dem Anpfiff ist Daniel 90 Minuten lang alles andere egal. Was dann noch zählt, ist lediglich die Frage, wann der Ball das gegnerische Tor trifft. Dazu will auch Daniel beitragen: Er feuert sie an, schreit »Bielefeld, Bielefeld«. Sein Gesicht dokumentiert Frust über die verpasste Chance, Jubel über eine gute Parade des Torwarts und Ärger über den Schiedsrichter, weil der ein Foul an Owomoyela übersehen hat.
Im normalen Leben schreibt Daniel in der Berufsschule Prüfungen, geht Badminton spielen oder trifft sich mit Schulfreunden. Wenn Arminia spielt, ist er ein anderer Mensch. Arminia elektrisiert den Uffelner. Deshalb fieberte er gestern auch vor dem Fernseher mit und ist beim nächsten Heimspiel gegen Dortmund wieder live dabei, in Block fünf, bei den »wahren Fans«.

Artikel vom 28.10.2004