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Knecht Ruprecht & Co.

Finstere Gestalten bevölkern die Vorweihnachtszeit

Ungeachtet allen vorweihnachtlichen Lichterglanzes trifft man in der Adventszeit seit alters her auch auf zahlreiche finstere Gestalten. Manche dieser »rauen Gesellen« wurden schon vor Jahrhunderten von (pseudo-)christlichen Bräuchen vereinnahmt und auf diese Weise gewissermaßen an die Kette gelegt.
Wilde Gestalten treiben in der Weihnachtszeit ihr Unwesen. Die Masken der Teufel, Hexen und Dämonen sind zumeist kunstvoll handgeschnitzt.
Die Gestalten tragen so illustre Namen wie Klaubauf, Buttmandl oder Krampus. Sie werden Klausen, Thomsen oder Perchten genannt, machen als Schmutzli, Pelzmärte oder Strohmärtel von sich reden, greifen als Hans Trapp, Hans Muff oder Knecht Ruprecht in das Geschehen der Advents- und Weihnachtszeit ein.
Im Aussehen und Verhalten sind sich die finsteren Gestalten recht ähnlich. Sie verstecken ihre Gesichter hinter weißen Laken auf aufwändig geschnitzten Holzmasken, die durch dolchartige Zähne, lang herausgestreckte rote Zungen, aufgesetzte Hörner oder Hirschgeweihe zu dämonenhaften Fratzen werden. Sie hüllen sich in Schaffelle und anderes zotteliges Pelzwerk, kommen in Sackleinen und Lumpen daher oder lassen sich in Strohbündel einwickeln. Damit niemand ihren theatralischen Auftritt überhören kann, sind sie mit Kuhglocken und Schellen behängt.
Die mythisch anmutenden »Horden der Vorweihnchtszeit« waren schon immer weltlich orientiert, was sich anhand der häufig mitgeführten geräumigen Körbe und Kiepen erahnen lässt. Sie sollten am Ende des abendlichen Spektakels mit möglichst nahrhaften Dingen gefüllt sein, die die Schreckgestalten entweder lautstark von ihren Mitmenschen eingefordert oder die diese ihnen freiwillig gegeben hatten - um einen Schlag mit der Fruchtbarkeit spendenden und Segen bringenden Rute zu erhalten oder um einer kräftigen Abreibung mit Schnee beziehungsweise einem unfreiwilligen Bad im kalten Wasser des Dorfbrunnens zu entgehen.
Derartiges Treiben ist nicht allein im süddeutschen Raum beheimatet. In Gestalt der »Thomsen« kennt man die gehörnten Fellträger auch in der Gegend um Lüneburg und in Friesland. Dort haben sie sich darauf spezialisiert, möglichst derbe Sprüche unters Volk zu bringen und ihre Mitmenschen durch Schläge mit einem Aschenbeutel zu traktieren.
Handelte es sich bei derartigen »Strafaktionen« oft um Überreste alter dörflicher Rügebräuche und noch älterer Fruchtbarkeitsriten, hat man die finsteren Gestalten im Lauf der Zeit zu Instrumenten der Pädagogik umfunktioniert. So übertrug man Knecht Ruprecht und Hans Trapp im vorweihnachtlichen Geschehen die Rolle des Kinderschrecks oder des »Schwarzen Mannes«: Er macht alle unartigen Kinder ausfindig und lässt sie sofort die Rute spüren oder steckt sie in den mitgebrachten Sack und nimmt sie zur Strafe mit.
In jüngster Zeit zeigen sich die einstigen »Schreckgestalten« allerdings von einer eher freundlichen Seite. So verteilen die »Küssnachter Schmutzli« - mit Reisigruten und geschwärzten Gesichtern beim so genannten Klausjagen durch die Straßen ziehende Gesellen - Krapfen, Nüsse und Dörrbirnen an das erwartungsvolle Publikum. Andere »Klausen« päsentieren sich mit bizarrem, bis zu zwei Meter hohem Kopfputz zur Freude der Zuschauer in einem wogenden Lichtermeer, anstatt wie früher unmittelbar aus der Dunkelheit aufzutauchen und ihre Mitmenschen zu erschrecken.

Artikel vom 24.12.2004