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An »Xmas« amüsiert sich der
Engländer einfach königlich

Knallbonbons sind weihnachtliche Tischdekoration

Küsse unterm Mistelzweig, Papierkronen auf dem Kopf, lärmende Partyspiele vor dem Kamin - am Weihnchtstag legt der Engländer seine sprichwörtliche Reserviertheit ab und amüsiert sich königlich.
Die Mistel, ein altes Symbol der Freundschaft, ist auch in Deutschland salonfähig geworden. In England werden unter dem Zweig Küsse getauscht, hierzulande dient die Mistel als dekorativer Weihnachtsschmuck.
Skurril, lustig und laut: Nach der eher besinnlichen Gottesdienstfeier am Morgen wird im Königreich Weihnachten gefeiert. König für einen Tag ist übrigens, wer in seiner Portion Plumpudding - das Gericht ist ein schwerer mit Cognac flambierter Früchtekuchen - die dort versteckte weiße Bohne findet. Königlich drapieren dürfen sich aber alle Gäste nach dem Fest mit Papierkronen, die aus den Knallbonbons fallen, traditionelle Tischdekoration am Weihnchtsfest. Kleine Geschenke, Witze und Anweisungen für Partyspiele schießen mit lautem Knall ebenfalls aus diesen »Christmas Crackers«.
Mehr oder weniger andächtig wird noch gegen 15 Uhr die traditionelle Weihnachtsansprache von Königin Elizabeth II. im Fernsehen verfolgt. Dann aber geht es ernsthaft ans Spielen: Scharaden, Blinde Kuh, Ratespiele stehen ganz oben auf der Beliebtheitsskala. Nicht fehelen darf dbei die Kiste mit alten Sachen zum Verkleiden. Traditionell ist auch das Vorlesen von Geistergeschichten. Und Krimi-Brettspiele finden immer mehr Zuspruch.
Die Kinder gehen am späten Nachmittag gerne zur Pantomimen-Vorstellung ins örtliche Theater, wo es ungeachtet dieser eigentlich schweigenden Kunstform ohrenbetäubend laut zugeht. Die führende Frauenrolle wird grundsätzlich von einem Mann gespielt, oftmals einem TV-Star. Auch ziehen alte und junge Sängergruppen von Haus zu Haus, singen Weihnachtslieder und freuen sich über Süßigkeiten oder Spenden für einen guten Zweck. Eine Erinnerung an alte Zeiten, als sich arme Kinder vor den Türen der Reichen auf diese Weise Almosen ersangen.
Einer alten Sage nach versammelte bereits König Artus die edelsten Ritter seines Reiches am Weihnachtstag zu einem großen Fest. Bei dem mehrstündigen Gelage wurden zur Unterhaltung der Gäste Darbietungen von Akrobaten, Schauspielern, Dichtern und Sängern zur Aufführung gebracht. Sagenhaft ist auch das Ende der Weihnachtszeit. Am 6. Januar klingelt »Mari Lwyd« an den Haustüren und gibt Rätsel auf. Wer die Antwort nicht weiß, wird von der weiß vermummten geisterhaften Gestalt gebissen und muss sie zudem den ganzen Tag verpflegen, zumindest in Wales. Und wer vor der zwälften Weihnchtsnacht, also am Abend des 5. Januar, nicht alle Dekorationen entfernt und das Haus blitzblank geputzt hat, muss mit schrecklicher Vergeltung der Geister rechnen - und hat für den Rest des Jahres ein schmutziges Heim.

Artikel vom 24.12.2004