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Model haben
uralte Tradition

Gebäck trug Geschichten weiter


Schon vor 5000 Jahren pressten die Sumerer Teig in geschnitzte Hohlformen, um gebackene Bilder zu erhalten. Die erst Mitte des 19. Jahrhunderts aufkommenden Christbäume waren verziert mit Äpfeln, Nüssen und Springerle, wie Modelgebäck im Alemannischen heißt. Und das muss auch heute noch gut in Form sein. Letztere war bei den Römern aus Ton gebrannt oder in Stein gemeißelt. Die Römer kannten Model (mit lang gedehntem »o« gesprochen) von den Griechen, die das Backpräge-Know-How ihrerseits aus dem Orient abgekupfert hatten.
Geschichten erzählen, stolz repräsentieren und unterrichten - zu all dem ließ sich Modelgebäck verwenden. In der Blütezeit der Holzmodel, in der Renaissance und im Barock, trug das Gebäck als »Massenmedium« Geschichten, Mythen, Legenden und Bibelerzählungen weiter, wie die Expertin Christa Fischer aus Stuttgart weiß. Bürger und Bauern setzten Lebkuchen und Springerle auch mit pädagogischen Hintergedanken ein: Kinder sollten gemodelte Buchstaben essen und so Wissen verinnerlichen. »Hast du das endlich gefressen?«, werden ABC-Schützen auch heute noch gelegentlich gefragt. Und wer die Weisheit gar mit Löffeln gefressen hat, dem mischte die Mama einst das zerbröselte Alphabet zum Essen in den Brei.
Auch nur fürs Auge ließen die Liebhaber gebackener Bilder Model stechen. Fein ziselierte Motive kosteten eine Menge Geld. »Sammler zahlen heute für seltene Stücke mehrere tausend Euro«, sagt Christa Fischer. Springerleteig oder erst recht Lebkuchenmasse ist allerdings zu grob, um die Profile filigran gestochener Model auszufüllen. Verwenden moderne Modelkünstler Kunststoff, so drückten ihre Vorfahren in der Barockzeit einen Teig aus Tragant, Zucker, Wasser und Eiweiß in die Formen. Tragant, der milchige Saft des aus Indien stammenden Bocksdorns, wurde somit zum Grundstoff für »Nippes«, das »Porzellan des kleinen Mannes«.
Was heute an Model noch produziert wird, ringt Christa Fischer, die selbst eine stattliche Sammlung historischer Holzmodel besitzt, allenfalls ein mitleidiges Lächeln ab. Nach dem Biedermeier in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann der Niedergang der Model-Kultur, lediglich verbürgerlichte Massenware war noch zu bekommen. »Hausbackenes«, wie die Expertin geringschätzig urteilt. Hausbacken und filigran gestochene Model, das passt aus Kennersicht nicht zusammen.

Artikel vom 24.12.2004