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Malerische
Musik erklingt

Corveyer Salon mit Wal er Steffens

Von Dagmar Korth
Höxter (WB). Der zweite Abend des Corveyer Salons 2004 war wie der Erste dem Komponisten Walter Steffens gewidmet. Waren -Êwie am Montag berichtet -Êam ersten Abend vor allem seine Literaturvertonungen im Blickfeld, standen am Sonntagnachmittag die Bildvertonungen des Komponisten im Zentrum des Interesses.

Im Dialog mit dem Musikwissenschaftler Dr. Albrecht Dümling erläuterte Steffens seine Motivation eine Komposition zu schaffen, an deren Beginn die Begegnung mit dem Bild steht. Die enge Beziehung zwischen bildender Kunst und Musik hat Tradition: Arnold Schönberg komponierte und malte. Auch andere große Komponisten schrieben »malerische« Musik.
In dieser Reihe sieht sich auch Walter Steffens, wenn er ein Bild entdeckt, das seine Seele zum Klingen bringt. Eine solche Begegnung widerfuhr Steffens in der Ikonenausstellung in Corvey. Ikonen sind verehrungswürdige Heiligenbilder, sie dienen der Versenkung im Gebet, aber sie transportieren auch menschliche Regungen zum Betrachter, etwa in der zärtlichen Darstellung von Mutter und Kind wie sie auf vielen Marien-Ikonen zu sehen ist. Diese Eindrücke setzte Walter Steffens in einem Werk für Klarinette solo um, das von Michel Lethiec, Professor am Pariser Musikkonservatorium, beeindruckend aufgeführt wurde.
Dem Maler Bernard Aubertin begegnete Walter Steffens in Paris. Aubertin beschäftigte sich intensiv mit dem Kubismus und Futurismus, favorisierte die Farbe rot als Bild für das Feuer. So ist Walter Steffens Komposition »Feuerregen« betitelt. Gespielt wurde sie meisterhaft von Peter Roggenkamp, dem schon viele zeitgenössische Komponisten ihre Werke zur Uraufführung anvertraut haben. Das Stück ist ein Feuersturm, der eine weitere Dimension erfährt, indem der Pianist die Saiten des Flügels mit Seidenpapier streift, oder sie mit einem Hämmerchen anschlägt.
Auch die Fotografiken von Karl Martin Holzhäuser und Gottfried Jäger haben in Walter Steffens jenen geistigen Entwicklungsprozess ausgelöst, der in einem denkwürdigen Klavierwerk gipfelte. Peter Roggenkamp interpretierte die beiden Sätze Genesis und Hiroshima. Die Monotonie der Tonfolgen, die sich langsam ins Unerträgliche steigern und mit einem explosiven musikalischen Effekt enden, symbolisieren markant den endlosen Schrecken, der hier durch das Beispiel Hiroshima aufgezeigt wird.
Die Westrose in der Kirche Notre Dame in Paris ist ein architektonisches Meisterwerk, das wohl keinen Betrachter unberührt lässt. Auch dieses »Bild« setzt Steffens wieder in einem Werk für Klarinette in Töne um. Michel Lethiec lässt mit seinem exzellenten berührenden Spiel all die Gefühle anklingen, die durch soviel Schönheit geweckt werden.
Auf der Weltausstellung in Paris 1937 wurde Pablo Picassos »Guernica« zum ersten Mal ausgestellt. Es gibt eine Reihe von Künstlern, die sich mit diesem grandiosen Kunstwerk musikalisch auseinander gesetzt haben. In einer reflektierenden Annäherung an das Picasso-Bild hat Walter Steffens in einer Elegie für Bratsche und Orchester Trauer und Wut, Bedrohung und all das Entsetzen versucht, in Töne umzusetzen. Dabei wird die sinnlose Zerstörungswut bewusst, die einst die Stadt Guernicea in Schutt und Asche legte.

Artikel vom 27.10.2004