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Freiheit für eine Stadt

Staatsbad in seiner Entwicklung blockiert

Von Dittmar Koop
Bad Oeynhausen (WB). Diplomatie und Duldung, Erbitterung, Scharmützel der Worte und nur schwer unterdrückte Empörung, die sich doch nicht unterdrücken ließ. Als die britische Rheinarmee nach mehr als neun Jahren das Ende ihres Hauptquartiers in Bad Oeynhausen publik machte, da brachten die Zeitungen Sonderausgaben heraus. 1. Oktober 1954: Ein Durchatmen grundlegender Tiefe muss durch die Stadt gegangen sein, wie eine Erlösung.

»Endlich.« Dieses unscheinbare und in diesem Zusammenhang doch so viel sagende Wort stellt alles andere in den Schatten, was Kurdirektor Dr. Hans-Otto Schmid im Herbst 1954 zum Abzug der Briten im »Jordan-Sprudel« schrieb. Denn es war wie ein Ventil für die lange aufgestaute Ungeduld. Emsiges Packen der Briten setzte sofort ein. Abzug innerhalb von sechs Tagen nach Mönchengladbach, wo mit rund 200 Millionen Mark eigens eine Stadt für die Rheinarmee aus dem Boden gestampft wurde.
Im Hotel Königshof, das als Hauptquartier für den Führungsstab, die Offiziere und die Generalität unter dem Oberkommandierenden Sir Richard Gale gedient hatte, gab es eine »Farewell-Party«. Doch die Atmosphäre war wohl eher so kühl wie die Cocktails, die den Oeynhausener Stadtoberen gereicht wurden. Man fügte sich ein letztes Mal der britischen Sprachregelung, die die Besatzung offiziell mit Einquartierung und Quartiergeben beschrieb. Es wird deutlich, dass die Besatzungszeit für beide Seiten auch eine Belastungsprobe der Sprache, der Wortwahl und des Tones war.
Als die Briten abzogen, lagen die Pläne zur Wiederinbesitznahme und Ausgestaltung des Staatsbades längst in der Schublade von Kurdirektor Hans-Otto Schmid. Auch hieraus erklärt sich die Ungeduld, die die Briten lieber gestern als morgen aus der Stadt ziehen sehen wollte. Denn nicht nur bei ihnen herrschte Aufbruchsstimmung, sondern auch in einem aufstrebenden Staatsbad, dem die Besatzung immer mehr zum Entwicklungshindernis wurde. Die Nachfrage nach Rehabilitationsplätzen war groß: »Trotzdem ist die Bettensorge unsere allergrößte. Auch jetzt, Mitte Oktober, können wir kaum ein Bett ohne lange Wartefrist nachweisen«, schreibt Schmid.
Drastische Bilder in der Presse dokumentierten die Zerstörung. Gleichzeitig entstand eine ohnmächtige Wut. »Es ging nie darum, gegen die Besatzungsmacht in einseitiger Weise Stimmung zu machen, sondern ähnliche Vorkommnisse zu verhindern«, heißt es in einem Beitrag der Freien Presse am 15. April 1954. Lapidar die anschließende Feststellung, dass es nichts genützt habe. In der Sprache und der Wortwahl dokumentierte sich die Ohnmacht und die Wut der Oeynhausener Bürger: »Der Kaiserhof kam als Torso in deutsche Hände.« Die Bilder in den Zeitungen straften die offizielle Verlautbarung von der »besenreinen Übergabe« Lüge.
Die Freigabe der Gebäude war auch eine Freigabe bei der sprachlichen Zurückhaltung: »Fesseln fallen vom Weltbad«, titelte die Freie Presse. Aber die Besatzungszeit beinhaltete auch dieses: Bad Oeynhausen als eine Stadt, die von den Briten gelebt hat, weil Industrie und Staatsbad Fesseln angelegt worden waren. 4 000 Deutsche, die als Bürokräfte, Handlanger oder Putzfrauen arbeiteten. Nach ersten damaligen Prognosen würden 3 000 von ihnen zum Arbeitsamt gehen. Der damalige Stadtdirektor Dr. Rudolf Lawin sagte zum Abzug: »Wir weinen ihnen keine Tränen nach, wir entzünden aber auch keine Freudenfeuer.« Wie viele Briten die Sperrzone bewohnten, das hat selbst der Stadtdirektor nicht gewusst. Nach vorsichtigen Schätzungen deutscher Angestellter in der Sperrzone waren es einige Tausend.

Artikel vom 27.10.2004