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Columbus-Trüffel
machen viel Arbeit

Schokoladenkunst im Café Finselbach

Von Thomas Hochstätter
(Text und Fotos)
Bad Oeynhausen (WB). Schokolade macht glücklich. Und Sahne macht nicht dick, Sahne macht nur griffig. Dirk Luthers Sicht auf das, was andere Menschen Kalorienbomben nennen, ist berufsbedingt. Der Konditormeister lebt von süßen Sachen. In seinem Café Finselbach an der Klosterstraße verführt er die Kundschaft zum Genuss. Und manchmal hilft er ihnen auch, vergessene Genüsse wiederzuentdecken: richtig gute Schokolade zum Beispiel.

»Sehen Sie das hier? Das kann man noch besser machen.« In der Rührschüssel sind etwa zwei Kilo einer köstlichen dunkelbraunen Masse, nach der sich viele Menschen die Finger lecken würden. Doch der Chef ist unzufrieden. Die Canache ist Dirk Luther nicht gleichmäßig genug. Vielleicht hat die Verarbeitungstemperatur nicht gestimmt, vielleicht die Rührdauer nicht. Canache nennt der Fachmann die Füllung eines Trüffels. Die besteht in diesem Fall aus Sahne, Butter und Maracaibo 49. Das ist eine Edelbitter-Rahm-Schokolade mit 49 Prozent Kakaoanteil - und zwar nicht irgendein Kakao, sondern einer von quasi adeliger Bohne mit edlem Stammbaum. Denn was den Namen ihres Luxusproduktes angeht, da hat sich die Schweizer Herstellerfirma Max Felchlin AG nicht lumpen lassen. Sie lobt ihre Schoki als »reinsortige Grand-Cru-Schokolade aus Edelkakao der Sorte Criollo Fine Flavour mit Herkunftsbezeichnung Sur del Lago, Maracaibo, Venezuela«. Dirk Luther meint, das sei zwar etwas kompliziert, schmecke aber einfach prima. »Probieren Sie mal!«
Weil das so prima schmeckt, hat Dirk Luther sich etwas Besonderes ausgedacht für diesen Winter: Columbus-Trüffel. Dafür braucht er die Luxus-Canache, die er schwungvoll auf einen Schokoladenboden spritzt, und jede Menge Kakao zum Bestäuben. »Bloß nicht an den Zutaten sparen«, sagt er.
Die Deutschen sparten bei guten Süßigkeiten schon viel zu lange, erzählt der Chef eines ZehnMann-Familienbetriebes, und würden gleichzeitig für Massen von Supermarktware genau so viel ausgeben wie man für - kleinere Mengen - hochklassiger Produkte bezahlen müsse. In der Schweiz, das hat er gerade bei einer Fortbildung erlebt, da werde Konditorkunst mehr geschätzt. Doch hierzulande stöhne man schon genug, lieber wolle er die Kunden einfach mit Qualität überzeugen.
Und dafür sei die edle Ware aus Schwyz in der Nähe von Luzern eben bestens geeignet. Drei Tage wird die Schokolade dort conchiert, das heißt, immer wieder gewalzt und belüftet. Das, was dabei herauskommt, ist cremig, lässt Vanille-, Honig- oder Himbeeraromen erahnen und hat einen zartschmelzenden Abgang, der dem Gaumen schmeichelt. So viel Genuss kostet pro glänzender 80-Gramm-Tafel 3,85 Euro. »Aber die Mühe, die darin steckt, die spürt auf der Zunge«, sagt Dirk Luther. Er gießt die Tafeln selbst - in zuvor mit Watte polierten Acrylformen, die allein so wertvoll sind, dass er sich von einem befreundeten Konditor zu seinen eigenen ein paar dazugeliehen hat.
Und was soll jetzt der Name der Columbus-Trüffel? »Ein Dankeschön. Vielleicht hätten wir ohne den Amerika-Entdecker gar keine Schokolade, weil niemand anders Kakao mitgebracht hätte.« Und wäre das nicht schade?

Artikel vom 23.10.2004