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Von Thema und
Text beflügelt

Walter Steffens beim Corveyer Salon

Höxter (WB). Der berühmte Berliner Salon der Rahel Varnhagen könnte Vorbild sein für ein musikalisch literarisches Angebot in Corvey, das vielleicht eine neue Tradition begründen wird. Nachdem 2003 der Philosoph Georg Friedrich Hamann im Zentrum des Interesses stand, so ist es in diesem Jahr der Komponist Walter Steffens.

Steffens wurde 1934 in Aachen geboren. In Hamburg fand er seine erste berufliche Bestätigung. Seit seiner Emeritierung -Êlange Zeit hatte er eine Professur für Komposition und Musiktheorie an der Musikhochschule Detmold inne -Êlebt und arbeitet Walter Steffens in Marienmünster.
In einem aufschlussreichen Gespräch zwischen Walter Steffens und dem Musikwissenschaftler Dr. Albrecht Dümling erfuhren die Zuhörer am ersten Abend des Corveyer Salons detailliert launiges und interessantes aus dem Leben und Wirken des Komponisten. Bereitwillig erläuterte er seine Motivation zu seinen Literaturvertonungen und gewährte dem Publikum Einblick in den Entstehungsprozess eines Musikstückes.
Walter Steffens sieht sich als Opern- und Liedkomponist. Dem musikalischem Wurf voraus geht die intensive Begegnung mit dem Text oder dem Thema. Sie müssen den Komponisten beflügeln. »Bei jedem Stück, das ich schreibe warte ich auf das grüne Licht von innen«, sagt Steffens über diesen oft langwierigen Entstehungsprozess. Manchmal können, wie bei seiner Oper »Die Judenbuche«, Jahre bis zur Ausführung vergehen. Die Oper »Die Judenbuche« nach der Novelle von Annette von Droste-Hülshoff wurde 1993 im Opernhaus Dortmund uraufgeführt. Ein eingespieltes Tonbeispiel ließ für das Publikum den Beginn des musikalischen Dramas mitvollziehen. Sehr bildhaft wird der Anfang der Novelle in Musik umgesetzt. Ein bemerkenswertes Beispiel seiner kunstvollen Gedichtvertonungen ist das Gedicht »Mondesaufgang« von der Droste. Die akzentuierte Vertonung unterstreicht die Sprache der Dichterin, dominiert aber nicht und lenkt nicht vom Text ab.
Eine persönliche Begegnung hatte Steffens mit der Dichterin Nelly Sachs. 1940 floh die Jüdin nach Schweden, wo sie bis zu ihrem Tode 1970 lebte. Das Wissen um die Vernichtungslager ließ Sachs ihr Mysterium um die Leiden des Volkes Israel -Ê»Eli« -Ê schreiben. Hier fand Steffens ein Thema, das ihn aufwühlte. Er erbat sich von ihr die Erlaubnis zur Vertonung. Zur Eröffnung des Opernhauses Dortmund wurde seine Oper »Eli« 1967 uraufgeführt. Wieder gab ein Tonbeispiel einen Eindruck dieser hochdramatischen imposanten Komposition.
Else Lasker-Schüler und Peter Hille sind zwei weitere Dichterpersönlichkeiten, aus deren Werken Walter Steffens Preziosen vertont hat. So das 2004 in Marienmünster geschriebene Lied »des betrunkenen Schuhus«, Text von Peter Hille. Optimal unterstreicht die Musik den launig frechen Text.
In Volker Schrewe (Bariton) und Michael Seewann (Klavier) hatten die Werke Steffens zwei Protagonisten gefunden, die es verstanden, Charakter und Inhalt subtil heraus zu arbeiten. Volker Schrewe überzeugte durch die Konsequenz der Artikulation. Dank seiner behutsamen Annäherung entwickelten die Lieder viel Atmosphäre und Poesie. Der Pianist webte in den Gesang einen fein nuancierten Anschlag. Dagmar Korth

Artikel vom 25.10.2004