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»Gute Stube« soll sich wieder öffnen

Steinhagener Einzelhändler fordern von Politik eindringlich die Befahrbarkeit des Ortskerns

Steinhagen (fn). So eindringlich wie noch nie zuvor vertraten die Einzelhändler am Donnerstagabend ihre Position gegenüber den Steinhagener Politikern: Eine Öffnung des Ortskerns für den Autoverkehr muss her, am besten gleich nach Weihnachten.

»Wenn das wieder abgelehnt wird, muss man fragen, ob es überhaupt noch Sinn macht, weiter über das Thema Ortskernbelebung zu sprechen«, nahm IWS-Vorsitzender Rudolf Marx die Ratsfraktionen in die Pflicht, die politischen Weichen zu stellen. Moderiert von Bürgermeister Klaus Besser, schilderten die Einzelhändler im vollbesetzten Vortragsraum des Heimathauses gegenüber den Vertretern der Ratsparteien ihre Situation. War bislang vor allem die Öffnung von Markt- und Fivizzanoplatz die Forderung der Einzelhändler, so wird jetzt auch der Kirchplatz und damit der gesamte Ortskern mit in den »Katalog« der Kaufleute aufgenommen (das WB berichtete am 29. September).
»Der Kunde allein entscheidet, was erreichbar ist«, sagte Rudolf Marx, der sich von Kurzparkmöglichkeiten direkt vor den Geschäften einen größeren Kundenzustrom erhofft. Er appellierte an die Politiker, einem zeitlich auf ein oder zwei Jahre begrenzten Versuch zuzustimmen. »Das wäre dann auch eine Perspektive für die Vermieter der leeren Ladenlokale. Sonst bekommen wir einen Branchen-Mix nie hin«, sagte Marx.
Unterstützung fanden die Kaufleute gleich zu Beginn bei Jörg Beyer vom Einzelhandelsverband Bielefeld, der das Beispiel Verl zitierte, wo ein Fußgängerbereich wieder gehöffnet wurde. Bei stagnierenden Umsätzen und immer größeren Verkaufsflächen auf der »grünen Wiese« sei die Erreichbarkeit ein elementar wichtiges Thema. Beyer sprach von einer Grundsatzentscheidung: »Wenn Sie jetzt die Öffnung nicht einmal probieren wollen, dann werden sich die Händler überlegen, dahin zu gehen, wo die Kunden sind, nämlich zum Jibi und zum Lidl.« Eine Öffnung des Fußgängerbereichs sei zwar kein Allheilmittel, aber der Kunde sei nunmal bequem. Beyer: »Manchmal entscheiden schon 20 bis 50 Meter Fußweg, ob ich anhalte oder weiterfahre.«
Auch Markt-Apothekerin Susanne Thron, forderte von der Politik die Entscheidung pro Öffnung: »Warum setzen Sie sich über Fachleute hinweg? Das Kaufverhalten der Menschen ist nun einmal so. Es geht jetzt wirklich darum, überlebt der Einzelhandel hier oder überlebt er nicht.«
Volker Scholz, Geschäftsstellenleiter des WESTFALEN-BLATTs, nahm zum Thema fehlender Branchen-Mix Stellung: »Dass es kein Vollsortiment gibt und dass die Leerstände nicht wegzubekommen sind, das kann man nicht den Einzelhändlern hier anlasten.« Es müssten aber Perspektiven für Neuansiedlungen geschaffen werden, sonst sei der Ortskern bald »luftleerer Raum«, so Scholz.
Bernd Breuer von i-Moden erinnerte sich an die Zeit vor 25 Jahren, als den Einzelhändlern der neue Marktplatz als »gute Stube« schmackhaft gemacht wurde. »Aber was ist denn die gute Stube auf dem Lande? Das Zimmer, das nur sonntags beheizt und aufgeschlossen wird«, sagte Breuer. Und genauso habe sich der Marktplatz entwickelt: nur zum Wochenmarkt und bei den Festen sei hier etwas los. Breuers Appell: »Politiker, kümmert euch mal darum, dass wir das hier wieder richtig ans Laufen kriegen«.

Artikel vom 23.10.2004