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Sprache des Herzens ist international

»Heim-statt Tschernobyl«: Maria Schwarze (71) aus Werther packt in Weißrussland mit an

Von Esther Steinmeier
Werther/Bielefeld (WB). »Sind unsere deutschen Frauen nicht Engel? Sie sind hier her gekommen, um uns das Wertvollste, die Wärme ihres Herzens, zu geben.« Zu Tränen gerührt sind Maria Schwarze und Gisela Langner immer wieder beim Lesen dieser Worte in einem Dankesbrief ihrer neuen Freunde in Weißrussland.

Mit acht anderen Frauen aus Deutschland waren Maria Schwarze aus Werther und Gisela Langner aus Bielefeld für vier Wochen nach Drushnaja in Weißrussland gereist, um dort für ein Hilfsprojekt zu arbeiten. Drushnaja heißt wörtlich übersetzt »das freundschaftliche Dorf«. Es wurde von dem gemeinnützigen Verein »Heim-statt Tschernobyl« aufgebaut, um Menschen aus den durch die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl verseuchten Regionen eine neue Heimat zu bieten.
Rund zwei Millionen Menschen, so die Schätzungen, leben immer noch in den schwer belasteten Zonen im Norden der Ukraine und im südlichen Weißrussland. Bei den Kindern sind vor allem Bluterkrankungen, Schilddrüsenkrebs und Leukämie die Folgen. »Fast alle sind immungeschwächt und bei kleinsten Anstrengungen schnell erschöpft«, berichtet Dietrich von Bodelschwingh vom Verein »Heim-statt Tschernobyl«.
Das bestätigen auch Maria Schwarze und Gisela Langner, die in Drushnaja tatkräftig anpackten und mithalfen, damit 36 Kinder und ihren Mütter aus der Region Gomel unbeschwerte und vor allem unbelastete Urlaubstage verbringen konnten. »Die Kinder waren ganz bleich und mickrig, als sie ankamen. Bei der Abfahrt haben sie gelacht, waren braungebrannt, und es ging ihnen viel besser«, erinnern sich die beiden Frauen. Und Maria Schwarze fügt hinzu: »Die Mühen haben sich wirklich gelohnt.«
Mühsam war es tatsächlich, überhaupt in das 150 Kilometer nördlich von Minsk gelegene Drushnaja zu kommen. Von Bielefeld nach Berlin und von dort mit dem Moskau-Express nach Minsk - ein echtes Abenteuer für die Ostwestfälinnen. Rund 30 Stunden Zugfahrt brachten die Frauen hinter sich, schleppten durch die engen Abteile nicht nur ihr eigenes Gepäck, sondern auch Koffer mit gespendeten Kleidungsstücken, Shampoo, Seife, Kaffee und Schokolade.
In Drushnaja angekommen, war die Arbeitsteilung für die beiden rüstigen Renterinnen - Maria Schwarze ist 71 Jahre alt und Gisela Langner 66 - klar: »Wir haben das gemacht, was wir zu Hause auch immer machen - Küchenarbeit«, lacht Gisela Langner. Vier Wochen arbeiteten sie in der Gemeinschaftsküche: Täglich kochten sie 40 Liter Tee, schälten einen ganzen Sack Kartoffeln, schnitten Gemüse und halfen der Küchenchefin, die etwa 80 Leute des Ferienprojekts zu verköstigen.
»Am Anfang haben wir uns ja schon manchmal gefragt, warum wir uns das eigentlich antun«, sagt Gisela Langner lachend. »Aber bei der Abreise haben wir alle geweint, und jetzt sind wir froh, dass wir da mitgemacht haben.«
Die Begegnung mit den weißrussischen Frauen und Kindern war »eine Bereicherung«. Damit sich Betreuerinnen und Gruppenmitglieder verständigen konnten, waren ihnen Dolmetscher zur Seie gestellt. »Aber ein paar russische Wörter haben wir auch gelernt«, so Maria Schwarze. Und die Sprache des Herzens, das haben die beiden Frauen ebenso erfahren wie die Urlaubskinder mit ihren Müttern, wird überall verstanden.
¥ Irmgard von Bodelschwingh von »Heim-statt Tschernobyl« wird beim Langenheider Klön am Samstag, 6. November, ab 16.30 Uhr im Jugendheim über die Arbeit des Vereins berichten.

Artikel vom 28.10.2004