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Verantwortung wird zum
Schlüsselbegriff der Zukunft

Professor Dr. Horst W. Opaschowski vor Unternehmern

Herford (rac). »Ökonomisch wird es uns in Zukunft nicht so gut gehen wie heute«, fasste Professor Dr. Horst W. Opaschowski zu Beginn seines Referates am Donnerstagabend im Hotel Restaurant Schinkenkrug die wirtschaftliche Entwicklung der nächsten Jahrzehnte für Deutschland zusammen. Der Zukunftsforscher und Leiter des B.A.T (British-American-Tobacco) Freizeit-Forschungsinstituts Hamburg sprach auf Einladung der Unternehmergruppe Ostwestfalen-Lippe zum Thema »Zukunft Deutschland - wie wir morgen arbeiten und leben«.

Acht Zukunftstrends stellte der international auch als »Mr. Zukunft« titulierte Forscher vor. Viele Prognosen, die Opaschowski den etwa 80 Zuhörern vorstellte, klangen düster. Insbesondere die Folgen der Globalisierung werden seiner Meinung nach gravierend sein.
Weniger Erwerbstätige, weniger Beitragszahler, die einen Rentner finanzieren, sinkendes Rentenniveau, alternde Gesellschaft und eine schrumpfende Bevölkerung - das sind die Kernpunkte der Entwicklung, wie sie der Zukunftswissenschaftler und Politikberater sieht, der in den Mittelpunkt seiner Forschungen immer das Wollen des Menschen stellt. Für diejenigen, die Arbeit haben, werde diese immer intensiver und konzentrierter, zeitlich länger und psychisch belastender, betonte Opaschowski - aus Sicht der Unternehmen dafür aber immer produktiver und effektiver.
Nach Meinung des Forschers lautet die Arbeitsformel für die Zukunft: 0,5 x 2 x 3, das heißt, die Hälfte der Mitarbeiter verdient dann doppelt so viel und muss dafür dreimal so viel leisten wie früher. Für Hochqualifizierte sei die 40-Stunden-Woche in Deutschland schon längst Realität, sagte Opaschowski, der eine Verlagerung vom Warenexport zum Wissensexport voraussagt und darin Chancen für eine neue Dienstleistungsgesellschaft sieht.
Forschung und Entwicklung würden zunehmend an Bedeutung gewinnen. Vom Industriezeitalter heiße es dagegen, langsam und endgültig Abschied zu nehmen. Ein Wandel von produktorientierten hin zu serviceorientierten Unternehmen zeichne sich ab. Siemens verdiene 50 Prozent seines Umsatzes mit Dienstleistungen, nannte der Wissenschaftler ein prominentes Beispiel.
Im 21. Jahrhundert müsse der Lebenssinn neu definiert werden: »Leben ist die Lust zu schaffen! Schaffensfreude umschreibt das künftige Leistungsoptimum von Menschen, die in ihrem Leben weder überfordert noch unterfordert werden wollen.«
Die rasante Entwicklung der Medientechnologien sieht der Forscher gelassen. Die Informationsgesellschaft bleibt seiner Ansicht nach eine Vision, genauso wie die Wissens-, Bildungs-, Kultur- und die Bürgergesellschaft. Die Bürger würden auch weiterhin lieber konsumieren als sich informieren. Das Fernsehen werde das wichtigste Leitmedium im Alltagsverhalten der Menschen bleiben.
Die Bevölkerung wird in Zukunft schrumpfen, ist sich der Fachmann sicher. Daran werde auch die Zuwanderung nichts ändern. Heute sei jede Kindergeneration zahlenmäßig um ein Drittel kleiner als die Elterngeneration. Von vielen Jugendlichen werde in einer Zeit, in der Flexibilität im Berufsleben als höchstes Gut gefeiert werde, die Familiengründung als Risiko angesehen. »Der typische Deutsche wird in Zukunft kinderlos und kurzsichtig sein«, so Opaschowski, der auch auf Grund der Überalterung der Gesellschaft in der Gesundheit einen Megamarkt der Zukunft sieht.
Diese ganzen Entwicklungen blieben wie auch die Anschläge vom 11. September nicht ohne Folgen. Als Antwort auf Verunsicherung und Vertrauensverluste gewinne Verantwortungsbereitschaft wieder eine größere Bedeutung als Durchsetzungsvermögen. Damit kündige sich einer der radikalsten Wertewandel seit dreißig Jahren an: »Verantwortung wird zum Schlüsselbegriff der Zukunft.«
Als Antwort auf die Suche nach Sinn, Halt und Heimat scheine eine Renaissance der Familie in naher Zukunft möglich, sagte Opaschowski, der den Deutschen die Bereitschaft zum Mentalitätswechsel in puncto Anspruchshaltung dem Staat gegenüber attestiert. Wenn der Wohlstand sinke, müsse die Hilfsbereitschaft der Menschen untereinander größer werden, sagte Opaschowski abschließend. »Eigentlich ist das eine Chance.«

Artikel vom 23.10.2004