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Witwe kämpft
vor Gericht
um Wohnung

Lebensversicherung will nicht zahlen

Von Christian Althoff
Steinhagen (WB). 18 Monate nach dem Tod ihres Mannes droht einer Witwe und ihren beiden Töchtern die Zwangsversteigerung ihres Zuhauses. Denn die Lebensversicherung, mit der die Familie den Kauf ihrer Eigentumswohnung in Steinhagen (Kreis Gütersloh) abgesichert hatte, ist bis heute nicht ausgezahlt worden.

Bauzeichner Alexander D. (52), ein Spätaussiedler, hatte 1997 in Steinhagen für sich und seine Familie eine Wohnung gekauft. Die Hypothek sicherte er damals unter anderem mit einer Risiko-Lebensversicherung über 100 000 Mark bei der Europa AG ab.
Im April 2003 starb Alexander D. an Herzversagen. Seine Witwe Tamara D. beantragte daraufhin die Auszahlung der Lebensversicherung - vergeblich. Die Europa AG weigerte sich und warf Alexander D. »Arglist« vor. Er habe beim Abschluss des Vertrages verschwiegen, dass er wegen Bluthochdrucks und Übergewichts in ärztlicher Behandlung gewesen sei, schrieb die Versicherung der Familie.
Michael Fischer aus Bielefeld, Fachanwalt für Bau- und Versicherungsrecht, vertritt die Witwe: »Bei Abschluss des Versicherungsvertrages lebte der Ehemann noch nicht lange in Deutschland und beherrschte kaum unsere Sprache. Deshalb hatte er den Vertrag mit Hilfe eines Mitarbeiters jener Firma ausgefüllt, die auch die Wohnung verkauft hatte.« Dass er angegeben habe, er sei nicht krank, sei nicht verwunderlich: »38 Prozent der Deutschen haben Übergewicht und viele von ihnen zudem erhöhten Blutdruck. Dennoch würden sich wohl die wenigsten als krank bezeichnen«, sagte der Anwalt.
Eine Arglist sei Alexander D. schon deshalb nicht zu unterstellen, weil er wahrheitsgemäß angegeben habe, dass er in ärztlicher Behandlung sei und auch den Arzt benannt habe. »Hätte Alexander D. die Versicherung hintergehen wollen, hätte er diese Angaben wohl kaum gemacht, da ihm klar sein musste, dass die Europa AG jederzeit beim Hausarzt nachfragen konnte.«
Entscheidend aber ist für den Rechtsanwalt der Umstand, dass der Mann im Versicherungsantrag seine Größe (168 Zentimeter) und sein Gewicht (92 Kilogramm) korrekt angegeben hatte. »An diesen beiden Zahlen hätten selbst medizinische Laien bei der Europa AG erkennen müssen, dass Alexander D. unter ganz erheblichem Übergewicht litt.« Dieses und die Tatsache, dass mit Übergewicht in der Regel Krankheiten wie Bluthochdruck einhergingen, hätten Rückfragen der Versicherung »zwingend erforderlich« gemacht, argumentiert der Anwalt. Der Bundesgerichtshof habe bereits 1995 entschieden, dass eine Versicherung nicht vom Vertrag zurücktreten könne, wenn sie bereits im Antrag Hinweise auf nicht richtig oder nicht vollständig beantwortete Fragen erkenne, diesen dann aber nicht nachgehe.
Der Anwalt hat inzwischen Klage gegen die Versicherung eingereicht, das Urteil wird möglicherweise im November gesprochen. Michael Fischer: »Dies ist kein Einzelfall. Aber viele Aussiedlerfamilien, die mit der Europa AG Ähnliches erlebt haben, scheuen den Weg vor Gericht und ergeben sich in ihr Schicksal.«
Ein Sprecher der Europa Versicherung in Köln lehnte am Freitag jede Stellungnahme zu dem Fall ab.

Artikel vom 23.10.2004