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Mörder wollte auch Kind töten

Schüler offenbar zufälliger Zeuge eines Raubmordes - Junge in Lebensgefahr

Von Christian Althoff
Osnabrück (WB). Ein Unbekannter hat in der Nacht zum Donnerstag eine Taxifahrerin (39) ermordet und anschließend einen Jungen (13) niedergestochen, der offenbar zufällig Zeuge der Bluttat geworden war. »Der Zustand des Kindes ist sehr, sehr ernst«, sagte Staatsanwalt Manfred Manke aus Osnabrück gestern Nachmittag.

Die Verbrechen hatten sich am späten Mittwoch Abend in der Ortschaft Quakenbrück nördlich von Osnabrück ereignet. Dort hatte eine Autofahrerin (42) kurz vor Mitternacht in einem Naherholungsgebiet ein verlassenes Taxi entdeckt. Der Mercedes der S-Klasse stand mit laufendem Motor und eingeschalteten Scheinwerfern in der Nähe eines kleines Sees.
Die Autofahrerin ging von einem Unfall aus und rief: »Hallo, ist hier jemand?« Dann hörte sie eine schwache Stimme: »Ja, hier! Hilfe!« Die Frau entdeckte einen Jungen, der blutend am Boden lag, und rief per Handy einen Notarzt.
Hauptkommissar Thomas Schnorfeil, der Leiter der Mordkommission: »Der Junge namens Jochen war mit zahlreichen Messerstichen niedergestochen worden.« Der 13-Jährige wurde in ein Krankenhaus gebracht, wo er in der Nacht zum Donnerstag mehrere Stunden operiert werden musste. Unterdessen suchten Polizisten die Umgebung des Taxis ab und fanden nicht weit entfernt Fahrerin Martina T. (39). Staatsanwalt Manke: »Sie lag am Ufer des Sees im Wasser und war tot.« Zwar liege ihm das Obduktionsergebnis noch nicht vor, doch sei die Frau offenbar erstochen worden, sagte Manke. Hinweise auf ein Sexualdelikt gebe es nicht. Möglicherweise sei die Frau einem Raubmörder zum Opfer gefallen, der sich dann plötzlich dem Jungen gegenüber gesehen habe.
Hauptkommissar Schnorfeil sagte, der 13-Jährige hätte sich am Abend mit seinen Freunden an dem Angelteich getroffen. Er sei wahrscheinlich gerade per Fahrrad auf dem Weg nach Hause gewesen, als er den Mörder überrascht habe. Das Fahrrad des Jungen habe man in der Nähe des Taxis gefunden.
Bis gestern Abend hatte die 20 Mann starke Mordkommission noch keine heiße Spur des Täters. Allerdings war vor drei Wochen an jener Stelle schon einmal ein Taxifahrer brutal überfallen worden. Dieser Fall wird nun noch einmal überprüft. Außerdem suchten gestern acht Polizeitaucher in dem See nach der Mordwaffe oder anderen Dingen, die der Täter weggeworfen haben könnte. Der See grenzt unmittelbar an eine Wohnsiedlung. Deshalb wird nicht ausgeschlossen, dass der Mörder zu Fuß geflohen ist.
Jochen (13) schwebt weiterhn in Lebensgefahr und kann nicht vernommen werden. Die Kripo wollte gestern nicht sagen, in welchem Krankenhaus der Schüler behandelt wird, da ein weiterer Mordanschlag nicht ausgeschlossen werden kann. Die Familie des Kindes wird von Seelsorgern betreut.
Mordopfer Martina T. hinterlässt einen Ehemann und einen erwachsenen Sohn. Die Frau fuhr seit zwei Jahren Taxi. »Immer die Nachtschicht, immer von 18 bis 6 Uhr«, sagte gestern ihr Bruder Joachim H., der selber ein Taxi fährt. »Ich hatte morgens um fünf in den Nachrichten gehört, dass bei uns eine Taxifahrerin umgebracht worden ist«, erinnerte sich Joachim H. mit stockender Stimme. Er habe sofort die Polizei angerufen und gefragt, ob es seine Schwester sei. »Die haben das erstmal verneint. Ich war erleichtert - bis ich eine Stunde später die Wahrheit erfuhr. . .«
Seine Schwester sei eine kräftige, resolute Frau gewesen, sagt Joachim H. »Die kam auch mit schwierigen Fahrgästen klar.« Für den Notfall habe sie aber trotzdem eine Dose Pfefferspray dabei gehabt - eine Waffe, die sie offenbar nicht mehr einsetzen konnte.

Artikel vom 22.10.2004