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DGB beklagt Gesetzeslücke: Hartz IV führt zum Wegfall von Unterhalt


Kreis Paderborn (WV). »Geschiedenen und allein Erziehenden drohen infolge des so genannten Hartz IV-Gesetzes oftmals finanzielle Nachteile. Dies gilt auch dann, wenn sie selbst nicht, aber der zum Unterhalt verpflichtete Partner langzeitarbeitslos wird«. Darauf hat jetzt der kommissarische Vorsitzende der DGB-Region Paderborn-Lippe-Höxter, Ralf Beltermann, aufmerksam gemacht.
Das neu eingeführte Arbeitslosengeld II gefährde die Sicherung des Unterhalts von Kindern getrennt lebender Eltern, wenn ein Partner arbeitslos wird. Anders als bei der bisherigen Arbeitslosenhilfe werde für Unterhaltszahlungen von ALG II-Empfängern oder deren Partner an getrennt von ihnen lebenden Kindern und/oder früheren Ehepartnern kein besonderer Einkommensfreibetrag mehr eingeräumt. Mit ALG II könnten die Betroffenen ihrer Unterhaltspflicht nicht mehr nachkommen, da ihnen das Gesetz nur das Existenzminimum lasse, aus dem nichts mehr abgezweigt werden kann.
Die Leidtragenden seien vor allem allein Erziehende und ihre Kinder, die vom arbeitslosen Elternteil keinen Unterhalt mehr erhielten. Aber auch der Vater, der arbeite und mit einer neuen Partnerin zusammen lebe, die Arbeitslosengeld II erhalte, werde keinen Unterhalt mehr für seine Kinder zahlen können. Denn sein Einkommen werde bei der Bedürftigkeitsprüfung der neuen Partnerin voll veranschlagt und auch hier kein Einkommensfreibetrag mehr eingeräumt. Im schlimmsten Fall könnten dadurch auch seine Kinder aus einer früheren Partnerschaft auf staatliche Fürsorgeleistungen angewiesen sein.
»Dieser familienpolitische Kollateralschaden kann mit Hartz IV wohl kaum beabsichtigt gewesen sein und muss im Interesse vieler Kinder schnellstmöglich korrigiert werden«, so Ralf Beltermann. Bis zu einer Gesetzesänderung soll nach Auffassung des DGB die Bundesagentur für Arbeit unbürokratisch Abhilfe schaffen - zum Beispiel über eine Dienstanweisung, mit der die bisherige Arbeitslosenhilfepraxis verlängert werden sollte. »Ich hoffe auf die Unterstützung der Bundestagsabgeordneten unserer Region«, so der DGB-Regionsvorsitzende.
Welche familien- und sozialpolitische Brisanz mit einer stärkeren Anrechnung von Unterhaltszahlungen verbunden sei, zeige die steigende Tendenz, dass gut jedes fünfte Kind unter 18 Jahren nur mit Mutter oder Vater aufwachse. Viele seien bereits heute auf Sozialhilfe angewiesen, im Westen rund 17 Prozent der allein Erziehenden. Mit der Zahl der minderjährigen Kinder steige zugleich die Sozialhilfebedürftigkeit. Die besondere Betroffenheit von Frauen zeige sich darin, dass zwischenzeitlich mehr als jede sechste Mutter minderjähriger Kinder auf Sozialhilfe angewiesen sei gegenüber sechs Prozent der allein erziehenden Väter. Ohne gesetzliche Änderungen bei Hartz IV droht sich nach Einschätzung des DGB das Verarmungsrisiko von allein Erziehenden und deren Kindern zu erhöhen.
Der DGB: Unterhaltsverpflichteten stehen für ihren eigenen Lebensunterhalt mindestens 730 Euro (bei Erwerbstätigkeit 840 Euro) in Westdeutschland oder 675 Euro in Ostdeutschland zu. Einkommen bis zu dieser Höhe könne deshalb nicht für Unterhaltszwecke abgezweigt werden.

Artikel vom 22.10.2004