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»Alfred's Platz«
an der Theke ist
fest reserviert

Teil 6: Gaststätte Massenschmiede

Von Dunja Henkenjohann
Werther-Langenheide (WB). Die Bank an der Theke ist reserviert. »AlfredÕs Platz« ist auf einem Holzschild zu lesen. Wenn in der Gaststätte Massenschmiede morgens um 9 Uhr der Zapfhahn aufgedreht wird, gehört auch Alfred Oberjohann dazu. Der 93-Jährige ist nicht nur Stammgast, er gehört mittlerweile schon zum Inventar.

»Gäste wie Alfred gehören zu einer aussterbenden Generation«, sagt Hanna Bockstede. Als sie als Schülerin in der Kneipe ihrer Eltern mit anpackte, waren die »Lohntütenbälle« selbstverständlich. Heute kann es sich kaum noch jemand leisten, nach Feierabend einen Abstecher in die Kneipe zu machen. Vielmehr sind es Rentner, die sich ein gepflegtes Bier am Vormittag gönnen.
Hanna Bockstede hat die Massenschmiede von ihrer Mutter Marie Tiemann übernommen. »Die Gaststätte war immer ein Familienbetrieb«, betont die Langenheiderin. In welcher Generation? Die Wirtin muss nachdenken: »Die Konzession stammt vom 3. Februar 1873. Fest steht, dass die nächsten Generationen in den Startlöchern stehen. Sowohl Sohn Thorsten als auch der Enkel haben den Beruf des Kochs gelernt.
Seit über 40 Jahren zapft Hanna Bockstede in der Massenschmiede das Bier. »Da hat sich viel getan«, erinnert sich die Langenheiderin. »Früher gehörte noch ein Kolonialwarenladen dazu«, erzählt sie. 1954 sei das kleine Geschäft in ein Gesellschaftszimmer umgebaut worden, 1967 folgte der Komplettabriss. »Damals war es leider ein Trend, historisches Fachwerk dem Erdboden gleich zu machen«, bedauern Hanna Bockstede und ihr Mann Werner.
Für ein halbes Jahr zog die damals sechsköpfige Familie in einen provisorisch errichteten Kotten auf der anderen Seite der Langenheider Straße um. »Die Männer schliefen in einem Zimmer, die Frauen in einem zweiten«, erzählt Hanna Bockstede von »einer schönen Zeit«. Sogar der Kneipenbetrieb lief während der Umbauphase in dem Kotten weiter.
Am 26. Januar 1968 wurde die Massenschmiede an ihrem heutigen Standort neu eröffnet. Ganze Generationen von Stammgästen sind seitdem dort ein und aus gegangen. »Für viele Vereine waren oder sind wir Vereinslokal«, erzählt die Inhaberin. Das ist - neben Familienfesten - der Schwerpunkt.
Ein Leben ohne ihre Kneipe können sich wohl nicht nur zahlreiche Gäste, sondern auch die Wirtin selbst nicht vorstellen. »Wenn ich in den Urlaub fahre, werde ich spätestens nach zwölf Tagen kribbelig«, erzählt Hanna Bockstede. »Ein Leben ohne Zapfhahn und Theke? Das kann ich mir nicht vorstellen.«

Artikel vom 22.10.2004