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Dealer kam aus
gutem Hause

An langjähriger Haft vorbei gekommen


Herford/Bünde (cl). Mit dem 27-jährigen Simon C. (Name geändert) aus Bünde saß ein ungewöhnlicher Angeklagter vor dem Schöffengericht: Er hatte nacheinander Abitur, Zivildienst und eine Fachlehre absolviert, demnächst geht er ins siebte Studiensemester, alles ohne jeden Konflikt mit der Justiz. Doch zwischen dem Sommer 2003 und seiner Festnahme am 10. Februar 2004 handelte der Student fast aus heiterem Himmel in 30 Fällen mit insgesamt fast 15 000 Ecstasy-Pillen und mehreren hundert Gramm Amphetaminen und Marihuana.
»Diese Mengen lassen einem die Haare zu Berge stehen«, bekannte der Vorsitzende Richter Bernd Kahre.
Er und die Schöffen verhängten die zwei Jahre mit Bewährung, die Staatsanwältin Ruth Dringenberg-Enders gefordert hatte, die aber auch bekannte: »Ich fuhr heute mit der festen Absicht her, eine mehrjährige Gefängnisstrafe zu beantragen!« Etliche gute Gründe bestätigen die Richtigkeit des Strafmaßes, das allerdings noch vier Jahre Betreuung durch einen Bewährungshelfer, 250 Arbeitsstunden und regelmäßige Drogenscreenings umfasst.
Die sieben Wochen U-Haft waren für den Studenten außerordnentlich heilsam, zumal sein Vater während dieser Zeit einen Suizidversuch unternahm. Simon C. packte gegenüber der Kripo gründlich aus, nannte ungewöhnlich viele Abnehmer, die ebenfalls größtenteils weiter verkauften. Er war bislang schon in neun Strafverfahren ein sehr brauchbarer Zeuge, weitere Ladungen hat er schon. Den Kronzeugenrabatt hatte er sich redlich verdient. Doch trotzdem hätten die Einzelstrafen in der Addition über 18 Jahre Gefängnis bedeutet. Amtsgerichtsdirektor Bernd Kahre führte aber auch aus: »Wenn die Polizei den schwunghaften Handel nicht unterbunden hätte, wäre es weiter gegangen. Aber: Wenn wir Sie jetzt für zwei oder drei Jahre ins Gefängnis schicken, ist Ihr Leben versaut und Sie werden trotz Ihrer ganzen Ausbildung keine Berufschancen haben. Dann konsumieren Sie wieder wie in den Jahren zuvor Drogen und wir sehen uns regelmäßig vor Gericht wieder.«

Artikel vom 26.01.2005