23.10.2004 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Wie die Blume des Feldes«

Pflanzen als stumme Symbole für die Vergänglichkeit

Rosen für die Liebste, Vergissmeinnicht zum Abschied, Chrysanthemen aufs Grab: Blumen haben in Freud und Leid etwas zu sagen.

War die Symbolwelt der Pflanzen im Mittelater noch weit reicher, so geben doch einige Blumen auch heute noch ihre Sinnzeichen. Im Trauermonat November haben Chrysanthemen, Lebensbaum, Immortellen, Immergrün und Efeu Konjunktur.
Pflanzen galten schon in der Bibel als Lebensdeuter. »Des Menschen Tage sind wie Gras, er blüht wie die Blume des Feldes. Fährt der Wind darüber, ist sie dahin, und der Ort auf dem sie stand, weiß von ihr nichts mehr« (Psalm 103).
Als Symbolpflanze für Sterben und Tod, aber auch für die Hoffnung auf ewiges Leben, gilt hierzulande die Chrysantheme. Die ursprünglich aus Japan stammende Korbblütler-Pflanze, dort Sonnenzeichen für Glück, langes Leben und das Wohl des Kaiserhauses, ist von europäischen Grabstätten nicht wegzudenken. »Weil sie zu den wenigen letzten Blühern im Jahr gehört«, vermutet der Botaniker Erich Götz von der Universität Stuttgart-Hohenheim. Eine so späte Blütezeit leisten sich Pflanzen deshalb kaum, weil sie in der Zeit der kürzer werdenden Tag ihre Samen nicht ausreifen können.
Sortenreich
Die Chrysantheme, von der in Deutschland Hunderte Sorten zu bekommen sind, tut sich leichter. »Gärtner können sie mit Beschattung beziehungsweise Belichtung auf den Novemberanfang genau zum Blühen bringen«, weiß Götz.
Die Thuja ist Todes- und Lebenssymbol zugleich. Die Nadeln des immergrünen Baums mit seinem harten Holz behalten ihre Farbe selbst dann, wenn sie getrocknet werden. »Die Zweige bröseln dann nicht einmal«, betont Pflanzenexperte Götz. Schon die alten Römer pflanzten Zypressen-Hecken um Villen, aber auch um Gärten und Grabanlagen. Da diese Pflanze im rauen Norden nicht gedeiht, bevorzugen laut Götz die italophilen Deutschen die eng mit der Zypresse verwandte und ursprünglich aus dem Westen Nordamerikas stammende Thuja. Mag es an der Giftigkeit ihres ätherischen Öls Thuion liegen, dass sie außer Lebens- auch Todessymbol wurde?
Die in Grabgestecken beliebten Strohblumen tragen die Botschaft der Unsterblichkeit versteckt in ihrem Namen. Gehören die ursprünglich in Australien beheimateten Korbblütler doch zur Pflanzenfamilie der »Immortellen«, der »Unsterblichen«. Botaniker Götz klärt auf: »Die einjährigen Blumen leben gewissermaßen posthum weiter, weil ihre von Gelb über Orange ins Rot spielenden Körbchen auch nach dem Schnitt wie lebendig erhalten bleiben. Nicht verwunderlich also, dass sie in Herbstgestecken und Grabkränzen häufig zu entdecken sind.

Artikel vom 23.10.2004