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Wie weit sind »15 Minuten
bis zum Strand« wirklich?

Reiseveranstalter haben für die Kataloge eigene »Sprache« entwickelt

Von Ditmar Hauer
Wenn die Reisepläne für den Sommer konkret werden, geht das Rätselraten wieder los. Die Kataloge deutscher Reiseveranstalter versprechen viel - vor allem »viel Urlaub fürs Geld«. Doch oft verschleiern die freundlich-blumigen Beschreibungen der Hotels, der Anreise und der Ferienorte erhebliche Nachteile.

Im Laufe der Jahre hat sich so eine Art Geheimcode, eine eigene Katalogsprache entwickelt. Die dabei verwendeten Begriffe und Formulierungen sind zwar nicht falsch, können aber zu sehr falschen Schlüssen führen. Um keine bösen Überraschungen zu erleben, sind Urlauber gut beraten, sich die wichtigsten Vokabeln der Katalogsprache zu eigen zu machen. Hilfe bietet dabei zum Beispiel das Reiseportal »www.verreisen.de«.
Die Verwirrung geht los bei der Fluganreise ins Ferienziel. Ein als »Direktflug« ausgeschriebener Flug heißt in jedem Fall, dass die Passagiere mit mindestens einer Zwischenlandung ohne Umsteigen rechnen müssen. Nur ein »Nonstopflug« bringt Reisende auch direkt und ohne Zwischenstopp ans Ziel. Misstrauen sollte aufkommen, wenn ein »kurzer Transfer zum Hotel« versprochen wird. In der Regel bedeutet das auch eine erhebliche Lärmbelästigung während der ganzen Urlaubszeit durch startende und landende Maschinen auf dem nahe gelegenen Airport. Mit Lärm ist auch zu rechnen, wenn ein »zentral gelegenes Hotel« gebucht wird. In diesem Fall tobt auch nachts der Straßenverkehr vor dem Feriendomizil. Ähnliches ist bei einem Hotel an einer »breiten Strandpromenade« zu befürchten, meist noch ver-stärkt durch die Geräusche alkoholisierter Nachtschwärmer.
Vorsicht geboten ist, wenn eine Ausschreibung »wöchentliche Animation« verspricht. Meist heißt das, dass an sechs Tagen der Woche nichts los ist. Bodybuilder sollten von einem »Fitnessraum im Hotel« nicht viel mehr erwarten als ein paar Hanteln und ein Springseil. Auch Formulierungen wie »gelegentliche Disco-Abende« und »regelmäßiges Unterhaltungsprogramm« dürften Urlauber, die sich amüsieren wollen, nicht zufrieden stellen. Sie sind meist ein Hinweis auf durchschnittliche Musiker und Tänzer, deren Vorführungen sich an ein Publikum wenden, das mit Mitklatschen und Schenkelklopfen zufrieden ist.
Aufmerksam sollte man die Lagebeschreibungen der Hotels studieren. Begriffe wie »300 Meter zum Wasser« oder »ein Kilometer zum Strand« wollen sagen, dass die Küste direkt am Hotel nicht zum Baden geeignet ist. Auch »strandnah« heißt letztlich, dass ein Fußmarsch von zehn bis 15 Minuten einzuplanen ist. Eine böse Falle ist auch der Text »nur 15 Minuten zum Strand«: Es fehlt dabei die Nennung des Verkehrsmittels - zwischen 15 Minuten zu Fuß oder mit dem Auto beziehungsweise Bus klafft ein gehöriger Unterschied.
In einem »aufstrebender Ferienort« wird garantiert überall gebaut, die örtliche Infrastruktur lässt noch sehr zu Wünschen übrig. Ein Hotel »für Gäste, die gern unabhängig sein wollen« liegt dagegen bestimmt in der Einöde, und auch von einer »Idylle in ruhiger Lage« sollte man nicht viel Abwechslung in der Umgebung erwarten. Ein Zimmer zur »Meerseite« bedeutet nicht, dass man das Meer auch sieht. Meist versperren dabei andere Gebäude den Blick.
»Meerblick« gibt es nur dann, wenn auch »Meerblick« im Katalog ausgeschrieben ist. »Seitlicher Meerblick« heißt allerdings, dass man vielleicht einen Streifen Wasser sieht, wenn man vom Balkon um die Ecke schaut.
Ein »Naturstrand« hat weder Toilette noch Umkleidekabinen, vom Meer angeschwemmter Abfall, Algen und Tang werden eher selten oder gar nicht weggeräumt. Gibt es dazu noch den Hinweis »Badeschuhe nicht vergessen«, ist Vorsicht vor scharfkantigen Korallen, steinigem Strand und stachligen Seeigeln im Wasser geboten. Und auch ein »beheizbares Schwimmbad« im Hotel stellt dazu keine sichere Alternative dar - denn es heißt nicht, dass dieses auch tatsächlich beheizt wird.
Das selbe gilt für »klimatisierbare Zimmer«. Auf Nummer sicher geht man in diesem Zusammenhang nur mit »individuell regelbarer Klimaanlage und Heizung«.
Ein Hotel mit »internationaler Küche« bietet meist Mahlzeiten auf dem Niveau deutscher Großküchen oder Werkskantinen. Mit Spezialitäten des Reiselandes kommt man dabei garantiert nicht in Berührung. Und in einem Hotelrestaurant mit »unaufdringlichem Service« kann man nur viel Spaß beim Warten auf den Kellner wünschen.

Artikel vom 24.06.2005